Berlin
Zvizdal
Chernobyl – so far so close (Holoceen #6)
Die Spezialität der beiden belgischen Künstler Bart Baele und Yves Degryse sind Theaterabende, die auf Dokumentationen basieren. Für ihr jüngstes Projekt, das sie mit der französischen Journalistin Cathy Blisson realisierten, sind sie über fünf Jahre hinweg zehnmal in das Dorf Zvizdal gereist, das in der Nähe des Reaktors von Tschernobyl liegt. Dort interviewten sie Petro und Nadia, ein mittlerweile über achtzigjähriges Paar, das sich weigerte, seine verstrahlte Heimat in der Sperrzone zu verlassen und dort seit dreissig Jahren völlig abgeschieden ohne Freunde, ohne Nachbarn, ohne Strom lebt. Entstanden ist ein sensibles, vielschichtiges Porträt über Hoffnung, Liebe und Einsamkeit. (esc)
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Es war genau vor dreissig Jahren: Am 26. April 1986 kam es im Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl in der Ukraine zu einer nuklearen Katastrophe. Über 100 000 Menschen im Umkreis von 30 Kilometern um den Reaktor mussten ihre Dörfer für immer verlassen; insgesamt wurden gegen 400 000 BewohnerInnen umgesiedelt. Zwei sind geblieben: Pétro und Nadia, beide mittlerweile weit über achtzig, weigerten sich, ihren Hof in Zvizdal, das in der Sperrzone liegt, zu verlassen. In Zvizdal wurden sie geboren, in Zvizdal waren sie aufgewachsen, hier wollten sie bleiben: «Wenn man gewohnt ist, an einem bestimmten Ort zu leben, dann sollte man in seiner natürlichen Umgebung bleiben. Wenn ich an einem Ort leben müsste, wo die Natur nicht so ist wie hier, würde ich sterben», sagt Pétro. Festgehalten ist dieses Statement in der Videoperformance von Bart Baele und Yves Degryse von der belgischen Künstlergruppe Berlin, die sie zusammen mit der französischen Journalistin Cathy Blisson realisierten. Die beiden haben sich einen Namen gemacht mit komplexen multimedialen Performances, die auf dokumentarischem Videomaterial beruhen und mit grossem Erfolg an Theaterfestivals in ganz Europa gezeigt werden. Es war Cathy Blisson, die Baele und Degryse auf das Paar in Zvizdal aufmerksam machte, auf das sie im Zusammenhang mit einer Recherche gestossen war. Und trotz aller bürokratischen Hindernisse und Sicherheitsvorschriften sind sie hingereist, zehn Mal von 2011 bis 2015, und haben Nadia und Pétro begleitet in ihrem unvorstellbaren Alltag. Ohne Nachbarn, ohne Freunde, in völliger Isolation, kein Strom, kein Telefon, der nächste Laden zwanzig Kilometer Fuss- marsch entfernt, lebt dieses aus der Zeit gefallene alte Ehepaar in völliger Einsamkeit inmitten einer ungebändigten Natur und pflanzt von Hand Kartoffeln. Noch haben sie eine Kuh, ein paar Hühner, eine Katze, einen Hund und ein Pferd, das lahmt. Und sie haben sich. Doch was, wenn sie immer gebrechlicher werden, wenn einer von ihnen stirbt? In ihrer Videoperformance ergänzen die drei Künstler ihre dokumentarischen Aufnahmen mit naturalistischen Modellen, die den Hof von Pétro und Nadia zu verschiedenen Jahreszeiten zeigen. Ereignisse, die sie nicht filmen wollten oder konnten, werden in den Miniaturversionen nachgestellt und auf dem Bildschirm eingeblendet. Das Zusammenspiel von dokumentarischen Videos und Modellaufnahmen bettet die Geschichte von Pétro und Nadia ein in einen natürlichen Zeitstrom jenseits kalendarischer Daten und Aktualitäten und macht das sensible, vielschichtige Porträt über Hoffnung, Liebe und Einsamkeit zu einem universellen Meisterwerk, das weit über das Faktische hinausweist. (esc)
Künstlerische Leitung und Besetzung
Mit | Nadia und Pétro Opanassovitch Lubenoc
Konzept | Bart Baele, Yves Degryse, Cathy Blisson
Bühnenbild | Manu Siebens, Ina Peeters, BERLIN
Interviews | Yves Degryse, Cathy Blisson
Kamera & Montage | Bart Baele, Geert De Vleesschauwer
Tonaufnahmen | Toon Meuris, Bas de Caluwé, Manu Siebens, Karel Verstreken
Interpretation | Olga Mitronina
Soundtrack & Mix | Peter Van Laerhoven
Bühnenkonstruktion | Manu Siebens, Klaartje Vermeulen, Dirk Stevens, Kasper Siebens, Kopspel, Rex Tee (Stagiair)
Mechanik | Joris Festjens, Dirk Lauwers
Modelle | Ina Peeters, mit der Hilfe von Puck Vonk, Rosa Fens und Thomas Dreezen
Produktionsleitung | Laura Fierens
Geschäftsführung | Kurt Lannoye
Administration | Jane Seynaeve
Untertitelung | Andrea Noetzel-Winking (deutsche Übersetzung), Josephine Roulet (englische Übersetzung)
Produktion
Koproduktion | Het Zuidelijk Toneel Tilburg, PACT Zollverein Essen, Dublin Theatre Festival, Le Centquatre Paris, Kunstenfestivaldesarts Brüssel, BIT Teatergarasjen Bergen, Künstlerhaus Mousonturm Frankfurt a.M., Theaterfestival Boulevard Den Bosch, Onassis Cultural Centre Athen
Zusammenarbeit mit | de Singel Antwerpen
Unterstützung | Flämische Regierung
Dank an | Wim Bervoets, Brice Maire, Lux Lumen, Els De Bodt, Pascal Rueff, Morgan Touzé, Christophe Ruetsch, Isabelle Grynberg, Nadine Malfait, Natalie Schrauwen, Katleen Treier, Piet Menu, Anthe & Ama Oda Baele, Remi & Ilias Degryse
Premiere | Kunstenfestivaldesarts Brüssel, Mai 2016
Foto | Frederik Buyckx
Theatrale Videoperformance
Schweizer Premiere
Dauer
1:20 Std.
Sprache
Ukrainisch, mit deutschen und englischen Untertiteln
Ein inklusiver Anlass
Links
Website BerlinTrailer Zvizdal
Vorstellungen
Vorstellungen ab heute- Mi 31.08. 21:00 - 22:20 CHF 35.-
- Do 01.09. 18:30 - 19:50 CHF 35.-
- Do 01.09. 21:30 - 22:50 CHF 35.-
- Fr 02.09. 21:00 - 22:20 CHF 35.-